Diesen 'Cut' zu machen, war toll.
Sascha Weisel
Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Iris Przybille (40) und der siebenjährigen Hündin Angel lebt der 55-Jährige seit kurzem in einem Tiny House in Ittersbach.
Tiny-House-Besitzer Sascha Weisel erklärt, warum er und seine Lebenspartnerin sich für diese Wohnform entschieden haben.
Die Bezeichnung „Tiny House“, also kleines Haus, trifft perfekt auf das von Weisel und Przybille zu: Mit dreifachverglasten Fenstern und gedämmten Außenwänden in gängiger Hauswanddicke steht das Eigenheim der beiden einem konventionellen in nichts nach. Trotz der kleinen Größe ist das Haus mit drei Eingängen ausgestattet und durch viele Fenster innen hell und luftig. „Die Technik ist das Wichtigste“, sagt Weisel. Das hat natürlich auch seinen Preis: Während andere Tiny Häuser zwischen 100.000 und 180.000 Euro kosteten, bewege sich dieses bei etwa 250.000 Euro.
Das Tiny House hat zwar zwei Etagen, durch die offene Fläche in der Mitte mit einer Deckenhöhe von über drei Metern wirkt der untere Bereich aber dennoch hell und luftig. Wichtig für Besitzer Weisel, der mit 1,90 Metern groß ist. Die Größe eines Tiny Houses werde eigentlich nur durch einen Faktor bestimmt: Auf Autobahnen in Deutschland seien für Fahrzeuge maximal vier Meter Höhe zugelassen, mit Sondergenehmigung 4,20 Meter. Berechne man noch den Tieflader mit 30 Zentimetern, ergibt sich also eine Maximalhöhe von 3,90 Metern, damit das Tiny House auf einem Anhänger noch durch Deutschland transportiert werden kann. Laut Weisel wechsle jedes Tiny House im Durchschnitt 1,5 Mal seinen Standort.
Nach fünf Jahren auf zwölf Quadratmetern im Wohnmobil haben beide gemerkt: Ein richtiges Sofa und ein Kamin für die Gemütlichkeit fehlten einfach. Durch zwei Fernseher – einen im Wohn- und einen im Schlafzimmer – können Weisel und Przybille auf kleinstem Raum sogar unterschiedliche Sendungen ansehen.
Nach 30 Jahren „durchpowern“ und mit großem Eigenheim hat Weisel einen „Cut“ gemacht, auf fünf Jahre auf vier Rädern folgte das Tiny House. Ein günstigerer Weg wieder zum Eigenheim. Toll sei auch die Tiny-House-Nachbarschaft.
Ihr Mann sei ein „Technikfreak“, erzählt Iris Przybille schmunzelnd. Kein Wunder: Weisel hat Elektroniker gelernt und 30 Jahre lang als Unternehmer in der IT-Branche gearbeitet.
Die Technik ist das Wichtigste.
Sascha Weisel hat sein Tiny House selbst konzipiert. Die Familie lebt im Sommer autark: Photovoltaikanlagen auf und am Haus sorgen für ausreichend Strom. Bereits morgens sei der Speicher voll, dann werde direkt eine Ladung Wäsche gewaschen.
Ein Jahr lang hat Sascha Weisel das Tiny House bis ins kleinste Detail geplant. Das sei komplexer gewesen, als ein 250-Quadratmeter-Eigenheim zu konzipieren.
Das Schlafzimmer in der oberen Etage ist klein und gemütlich. Stauraum versteckt sich aber auch hier überall, etwa hinter der Holzverkleidung und unterm Bett. Am Aufgang ist eine Mini-begehbarer-Kleiderschrank eingebaut, links neben dem Fernseher lässt sich ein Schrank ausziehen.
Der zweite Raum im Obergeschoss dient als Büro. Wenn Gäste da sind, wird der Schreibtisch weggeklappt und die Couch ausgezogen. Schlaf- und Gästezimmer verfügen auch jeweils über eine Tür, eine Besonderheit für Tiny Houses. Dieses Zimmer etwa könnte bei einer Familie mit Kleinkind auch als Spielzimmer dienen, meint Weisel, aber: Mit älteren Kindern wäre das Leben auf so wenig Raum wohl schwierig.
Angel ist sieben Jahre alt und fühlt sich im Tiny House pudelwohl. Doch der Weg nach draußen ist niemals weit – perfekt für die energiegeladene Jagdhündin.
Mein großer Aspekt im Tiny House ist die Putz-Geschichte. Wir hatten ein großes Haus und wir achten halt sehr darauf, dass man es pflegt und es immer ordentlich ist und hier bin ich halt einfach in einer Stunde fertig.
Tiny-House-Besitzerin Iris Przybille
Wir brauchen kein großes Haus.
Sascha Weisel und Iris Przybille mit Hund Angel schätzen die nachbarschaftliche Gemeinschaft mit den anderen Tiny-House-Besitzern auf dem Grundstück.
Die Küchenschränke sind Standardgröße – wichtig für Przybille, die leidenschaftlich gerne kocht. Besonderer Kniff: Die Arbeitsplatte ist ausziehbar. So kann geschnibbelt werden, ohne sich permanent den Kopf anzustoßen.
Wir haben innendrin trotzdem alle Möglichkeiten, die wir in einem normalen Haus auch haben. Wir haben eine ganz tolle Küche, wir haben alle möglichen Technikvorteile, wir haben ein toll gedämmtes Haus. Also alles entspricht einem großen Haus. Es ist nur beengter und der Platz wird besser ausgenutzt, dadurch kriegen wir trotzdem alles unter.
Sascha Weisel
Der Esstisch lässt sich ausfahren – so finden bis zu sechs Personen Platz, etwa, wenn Weisels erwachsene Söhne zum Essen kommen. Weitere Stühle hängen in luftiger Höhe an der Wand.
Toilette, Waschbecken, Dusche, Waschmaschine, Stauraum – und sogar noch Platz, um lästige Dinge wie Wäscheständer, Wischmopp und Trittleiter zu verstauen. Dafür brauchte es gerade einmal einen fünf Zentimeter breiten Spalt, erzählt Weisel. Jeder Zentimeter Platz wird ausgenutzt.
Die Treppe? Natürlich gleichzeitig Stauraum für alles, was man eben so besitzt, wie Schuhe, Jacken und Werkzeug. So hat alles seinen Platz und ist ordentlich verstaut.
Der größte Vorteil oder der Grund, warum wir zum Tiny House tendiert haben, ist: Wir wollten alle Vorteile haben von einem großen Haus, dass wir also alleine stehen, wir können tun und lassen, was wir wollen im Haus, haben nicht direkt einen Nachbarn nebenan, haben trotzdem noch einen kleinen Garten, können rausgehen und haben aber im Gegenzug dazu nur ein Drittel der Investition.
Sascha Weisel
Ja: 33 %
Nein: 55 %
Keine Angabe: 12 %
Quelle: Statista, erhoben 2019 durch YouGov
Bei einer Online-Umfrage unter 1000 Befragten zwischen 16 und 75 Jahren im Jahr 2022 gaben sogar 40 Prozent an, sich das Tiny House als Wohnform vorstellen zu können. Quelle: Statista, erhoben 2022 durch Ipsos
Und was bringt die Zukunft für die Familie? Das Haus haben Weisel und Przybille von Anfang an altersgerecht geplant, denn ihre Zukunft sehen sie dort. Nur die Frage, wo das Tiny House auf Dauer einmal stehen soll, sei noch offen, möglicherweise irgendwann auch in Schweden, wo das Paar ohnehin immer den Winter über sei und arbeite. Beim Tiny House ist es eben auch möglich, erst das Haus zu bauen und dann den richtigen Ort zu suchen.
Und auch beruflich ist die Familie voll beim Thema Tiny House angekommen und möchte Gemeinden bei der Umsetzung von Bauplätzen für diese alternative Wohnform beraten. Kontakt: info@wecomi.de Denn das Interesse an Tiny Houses in Baden-Württemberg sei riesig, meint Weisel: Fehlen würden nur die geeigneten Grundstücke.
Idee, Text und Gestaltung: Julia Falk Fotos und Videos: Lucas Röhr Drohnenaufnahme: Sascha Weisel