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Jahrhunderthochwasser 1993

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Einleitung

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Hunderte von Kellern werden überschwemmt, zahlreiche Straßen sind überflutet oder von Erdrutschen blockiert: Dauerregen führt drei Tage vor Weihnachten 1993 zu einem der schlimmsten Hochwasser im Enz- und Nagoldtal überhaupt. Die Pforzheimer Zeitung blickt gemeinsam mit vier Zeitzeugen auf jenen verheerenden Dienstag zurück, der die Menschen noch weit über diesen Tag hinaus beschäftigt hat. Auf den großen Regen, die Schäden in Millionenhöhe und die Aufräumarbeiten. Und natürlich auf die zerstörerische Flut, die alles mit sich reißt, was nicht niet- und nagelfest ist.

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Am 21. Dezember 1993 - drei Tage vor Weihnachten - sorgt Dauerregen im Südwesten für chaotische Verhältnisse in der Region.

800 Mal sind die Feuerwehren des Enzkreises zur Bekämpfung und Beseitigung der Hochwasserschäden im Einsatz.

Die Schäden gehen weit hinein in den Millionenbereich. Alleine in Mühlacker und seinen Ortsteilen sprechen Zeitzeugen von Schäden in Höhe von 40 Millionen D-Mark.

In großen Teilen von Mühlacker und dem Enzkreis muss der Strom abgestellt werden.



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In Wilferdingen steht ein Altenheim kurz vor der Evakuierung. Die Keller des Gebäudes sind randvoll, das Notstromaggregat kann nicht mehr in den Betrieb genommen werden.

In Keltern werden in der Nacht 30 Tonnen Kies herangeschafft, um Dämme zu bauen.

Im Straubenhardter "Teppichland Holzbachtal" richten die entfesselten Wassermassen einen Schaden von schätzungsweise zwei Millionen D-Mark an. Selbst schwere Gabelstabler werden weggeschwemmt.

Ein Erdrutsch blockiert die Landstraße zwischen Ispringen und Ersingen. Auf der Straße zwischen der Eyachbrücke nach Schwann wird die halbe Fahrbahn weggespült. Auch zahlreiche andere Straßen sind nicht mehr befahrbar.





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Hochwasser in Neuenbürg

Gegen 20 Uhr beginnt der Großeinsatz der Feuerwehren. Immer mehr Straßen in Neuenbürg müssen wegen Überflutung gesperrt werden.  Die Wassermassen schwappen über die Ufermauern und breiten sich in der Innenstadt aus.

Gegen 2 Uhr in der Nacht kann die Neuenbürger Feuerwehr beim Schleifmühlenweg vier Menschen gerade noch rechtzeitig aus den überschwemmten Gebäuden retten.

Joachim Espert ist damals als Feuerwehrmann im Einsatz...
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Hochwasser in Eutingen

In Pforzheim sind am 21. Dezember die Berufsfeuerwehr und alle verfügbaren Löschzüge mit mehr als 220 Helfern im Einsatz. Der große Stress beginnt am 20. Dezember gegen 23 Uhr, als sich die Wassermassen den Weg in die Keller der Dietlinger Straße bahnen. Später schwimmen im Arlinger sogar umgekippte Öltanks durch die Gegend. Der Enzpegel erreicht am 21. Dezember um 6.45 Uhr mit 3,34 Metern seinen höchsten Stand in der Goldstadt.

Eher glimpflich geht die Lage in Weißenstein aus. Durch einen starken Einsatz der Feuerwehr gelingt es, den erst vor wenigen Wochen um rund 50 Zentimeter erhöhten Damm so zu sichern, so dass kein Wasser in die tieferliegenden Keller gelangen kann. In Dillweißenstein und beim Tiefbauamt in Brötzingen werden tausende Sandsäcke gefüllt. 
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Besonders verheerend ist die Situation in Eutingen. Dort tritt das Hochwasser nicht direkt über das Enzufer, sondern fließt über den Mühlkanal in den Bereich "Am Sämenbach" und überrascht die Bewohner der Enzstraße. Binnen Minuten stehen Keller bis zur Decke unter Wasser, Sandsäcke können nur noch Schlimmeres verhindern.

Im östlichen Teil der Enzstraße steigt das Wasser so schnell, dass die Versorgung der Bewohner nur mit Hilfe des Technischen Hilfswerks aufrecht erhalten werden kann. Die freiwilligen Helfer bringen die Post und fahren vom Wasser eingeschlossene Personen ins Trockene, damit sie Einkaufen gehen können. Auch Heinz Ziegler wohnt damals - und bis heute - in der Enzstraße...


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Hochwasser in Enzberg

Im größten Stadtteil von Mühlacker, in Enzberg, werden beim Jahrhunderthochwasser insbesondere die Gewerbebetriebe zwischen Enz und EVS-Kanal hart getroffen und ihrer Existenz gefährdet.

Zwei Tage nach der Flut, am 23. Dezember, liegt der zurückgebliebene Schlamm noch immer knöcheltief bei der Gärtnerei Steinbach. Dort herrscht ein einziges Tohuwabohu: Gelagertes Styropor unter den Pflanzentischen ist vom Wasser hochgedrückt worden wie eine Hebebühne. Im Wohnzimmer ist das Parkett aus den Fugen geraten. Auch die Gärtnereien Berret in Lomersheim und Zachmann in Wilferdingen trifft es hart - aber "bei Steinbach ist der Schaden am größten, weil sie in ihrer Größenordnung auch Gärtnereien in Pforzheim beliefern", sagt damals Kreisgärtnermeister Christian Tauscher.  

Alleine eine Firma habe einen Schaden von etwa drei Millionen D-Mark, schildert Bürgermeister Hans-Jürgen Pisch am 26. Dezember. Hinzu kommt der Produktionsausfall. Damit stehen damals auch rund 100 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Nur wenige Meter weiter steht eine Kachelofenbaufirma. Petra Hieber erzählt von den Wassermassen in Enzberg...





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Stundenlang unpassierbar ist die Bundesstraße 10 zwischen Enzberg (rechts unten die Alte Lederfabrik) und Niefern. Damit ist der östliche Enzkreis von der Autobahn-Anschlussstelle Pforzheim-Ost abgeschnitten. "In Enzberg wäre es gut, wenn die neue B10 käme, damit dort ein vernünftiger Hochwasserschutz möglich ist", sagt Bürgermeister Pisch am 26. Dezember im Gespräch mit der PZ. Im Juni 1998 wird die Ortsumgehung schließlich eingeweiht.
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Hochwasser in Dürrmenz

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Das Jahrhunderthochwasser verläuft aber nicht "ordentlich": Der Enzpegel steigt bis auf 1,5 Meter über das Erdgeschossniveau des Marktplatzes in Dürrmenz. Schuld sind die Pfeiler an der Herrenwaagbrücke, an denen sich das Wasser staut und Dürrmenz rückwärts überflutet, wie der langjährige Stadtrat Rolf Leo im Gespräch mit der PZ erzählt.
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In der Waldenserstraße werden die Tiere vor dem Hochwasser gerettet. Auch Leo ist mit seinem Haus in der Ortsmitte selbst von den Wassermassen betroffen. Am 22. Dezember will sich der damalige Realschullehrer auf den Weg zum Unterricht machen - es ist der letzte Schultag vor Weihnachten. Am Morgen ist die Herrenwaagbrücke aber bereits gesperrt, Leo kommt gar nicht mehr in die Schule. Gegen 7, 8 Uhr tritt das Wasser über das Ufer und überflutet Keller und Garagen. Die Einliegerwohnung in Leos Haus, die bis zur Decke unter Wasser steht, wird vom THW ausgepumpt. Keine Heizung, kein Strom und von oben bis unten durchnässt - so stehen viele Bewohner von Mühlacker zwei Tage vor Weihnachten da.
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Eine der letzten großen Hochwasser-Maßnahmen ist der Neubau der Herrenwaagbrücke. Die alte Brücke hatte Pfeiler und lag im Gegensatz zum Neubau ein Meter tiefer. "Es war ein langer Kampf", sagt Rolf Leo. Mit der neuen Herrenwaagbrücke aber sinke das Risiko eines Hochwassers wie jenes von 1993 deutlich. Darüber sei man in Mühlacker, speziell auch in Dürrmenz, besonders froh.

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Hochwasser in Mühlhausen

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Rund 150 Haushalte in Mühlhausen an der Enz, dem kleinsten Stadtteil von Mühlacker, sind von dem Hochwasser 1993 betroffen. Gesamtschaden im Ort: Rund 10 Millionen D-Mark. Bis heute erinnern Markierungen am Alten Rathaus an die Flutkatastrophen.
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Bei einem Besuch von Mühlackers Bürgermeister Hans-Jürgen Pisch am 23. Dezember in Mühlhausen an der Enz wird er von aufgeregten Bürgern umringt:
"Um 1000 Mark zu sparen, habt ihr die Sirene entfernen lassen, sonst wären wir rechtzeitig alarmiert worden. Gegen Hochwasser kann man nichts machen, aber Alarm muss es geben."
Bürgermeister Pisch bleibt aber ruhig, schrieb die PZ damals:
"Unser aller Nerven liegen blank, Tag und Nacht unterwegs, kaum Schlaf. Aber spätestens am Montagnachmittag wussten alle, dass Hochwasser die Enz runterkommt. Dass allerdings der Damm mehrfach brechen würde, gegen 4 Uhr morgens, haben wir alle nicht geglaubt."
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Abspann

Chaos vor den Toren der Recyclinghöfe am 30. Dezember: Der Enzkreis verzichtet auf Gebühren für den zusätzlichen Sperrmüll - unbrauchbar gewordene Möbel und Inventar - und für die Schlämme nach dem zurückweichenden Hochwasser in Kellern, Wohnungen und Betrieben. Aber: Viele Menschen können auf den Höfen in Ispringen, Lomersheim und Niefern ihren Unrat nicht mehr loswerden - die Container sind voll.

Ölverschmutzte Schlämme aber müssen sonderentsorgt werden und kommen zunächst auf eine Zwischen-Lagerstätte in Pforzheim.
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Heizungen, Waschmaschinen, Wäschetrockner, Schränke und jedwedes andere Mobiliar - nichts ist vor den Wassermassen sicher. Damals gibt es für die Bewohner in Baden und in Württemberg jedoch noch einen gravierenden Unterschied: In Württemberg kommt die Gebäudebrandversicherung für alle Schäden am Haus oder an den fest verbundenen Einrichtungen - wie eben Waschmaschinen - auf. In Baden gilt das nicht: Dort sind solche Geräte nach Ansicht der Versicherung nicht fest mit dem Haus verbunden. In Eutingen etwa fließt damit kaum Schadensersatz. Die Versicherungen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt angepasst.
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Autor: Christoph Stäbler

Technische Umsetzung: Christoph Stäbler, Lucas Röhr und Thomas Meyer

Videos: Lucas Röhr

Youtube-Zusammenschnitt: Werner Dippon

Bilder: Joachim Espert, Familie Ziegler, Familie Hieber, Rolf Leo, Thomas Meyer, Lucas Röhr, Peter Hepfer, Jörg Keller, Gerhard Ketterl, Stadtarchiv Mühlacker, Kreisarchiv Enzkreis

Zahlreiche Leser haben uns für die Reportage zum Jahrhunderthochwasser 1993 Fotos, Berichte und ihre Hilfe angeboten - leider konnten wir nicht alle Angebote berücksichtigen. Für jedwede Unterstützung bedanken wir uns sehr herzlich!
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