Was vor 76 Jahren geschah
23. Februar 1945Der Tag, der Pforzheim für immer veränderte
An den Bombenangriff der britischen Streitkräfte wird jährlich erinnert – an Tote, Überlebende und Folgen fürs kollektive Bewusstsein. 2021 jährt sich dieses Ereignis bereits zum 76. Mal. In diesem Jahr ist es ein Rückblick von "Pforzheimer Zeitung" und PZ-news, der vor allem auch die jüngsten Folgen – die einhergehenden Demonstrationen und Proteste – in den Fokus nimmt.
Pforzheim wird zur Trümmerstadt
Pforzheim wird zur Trümmerstadt
Klarer Himmel über der Goldstadt
Im Zeitstrahl sind die verhängnisvollen Minuten grob skizziert. Dabei wird deutlich: Vom Fliegeralarm um 19.48 Uhr bis zum Ende der Bombardierung um 20.15 Uhr liegen nicht einmal 30 Minuten. In einer knappen halben Stunde wurde die Goldstadt in Schutt und Asche gelegt.
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Der Leopoldplatz nach dem Krieg und heute
Nach dem Krieg
Gedenkfeier am 23. Februar 1946 auf dem Pforzheimer HauptfriedhofBürgermeister verliest emotionale Rede
Der im Juli 1945 von der US-Militärregierung eingesetzte Oberbürgermeister Friedrich Adolf Katz hielt am 23. Februar 1946 an der Großgrabstätte auf dem Hauptfriedhof bei einer Gedenkfeier eine Ansprache. Tausende von Angehörigen, die das Bombardement und den Feuersturm überlebt hatten, waren gekommen.
Nachfolgend ist ein Video zu sehen, in dem PZ-Chefredakteur Marek Klimanski gemeinsam mit PZ-Redakteuren und PZ-Redaktionsmitgliedern die Rede im Wortlaut wiedergibt:
Die Rede von Oberbürgermeister Katz aus dem Jahr 1946
Schauspieler Curt Müller überlebt Inferno „Zahl der Toten ist unvorstellbar"
Schauspieler Curt Müller überlebt Inferno „Zahl der Toten ist unvorstellbar"
Überlebender des Infernos schildert seine Eindrücke
Neun Tage nach dem Inferno schickte Curt Müller seinen Angehörigen und Freunden einen Brief „über die Katastrophe furchtbaren Ausmaßes, die über unsere Stadt hereingebrochen ist“. „Es gibt keine Worte, keine Sprache auf der Welt, um das Ungeheuerliche nur annähernd zu schildern“, hat Müller an „meine Lieben“ am 4. März 1945 festgehalten und angemerkt: „Damit Ihr alle möglichst schnell Nachricht von uns bekommt, mache ich gleich Kopien.“
„Ein einziger Trümmerhaufen“
Müller, wohl auch seine Frau und die Tochter, die an der Calwer Straße wohnten, gingen nach der Warnung „Akute Luftgefahr“ in einen Stollen. Da begann schon das Bombardement. Als er später wieder ins Freie kam, „brannte die ganze Stadt in hellen Flammen, ein einziges Feuermeer“, schrieb er. Zurück an seinem Haus, schlugen ihm die Flammen entgegen.
„Da Löschen nicht mehr in Frage kam, holte ich heraus, was ich konnte, bis der Dachstuhl drohte, zusammenzubrechen.“
Weil sie nicht in der Stadt bleiben konnten, fanden die Müllers bei einer befreundeten Familie in Neuenbürg eine Unterkunft. Curt Müller kam eine Woche später wieder nach Pforzheim, um Gerettetes und Lebensmittel zu holen. „Seit ich die mir vertraute und liebgewordene Stadt gesehen habe, bin ich von Schwermut befallen. Von der Brötzinger Grenze bis zum Gaswerk längs und von der Nordstadt bis zur Oberen Rodstraße steht weder ein Haus noch eine Wand. Die ganze Stadt ist ein einziger Trümmerhaufen, unter dem noch zum großen Teil die Bevölkerung liegt. ( . . .) Während bei anderen Terrorangriffen noch hier und da Häuser stehengeblieben sind, ist bei uns alles zusammengestürzt. ( . . .) Die Zahl der Toten grenzt an das Phantastische und ist unvorstellbar“, heißt es in dem Brief, in dem Müller auch Tote wie Bäcker Lutz mit Familie, Frau Suedes mit den Kindern Renate, Christa und Oma sowie Operettentenor Westphal mit Frau und Schwiegereltern nennt. Zudem die Mitglieder des Billardklubs „mit Ausnahme von Gustav Maier“.
Der Marktplatz nach dem Krieg und heute
Das Gedenken und die Demonstrationen
Ein Tag im Zeichen der Demonstration
Im Bild ist die Gegendemonstration zur rechten Fackel-"Mahnwache" vor dem Pforzheimer Bahnhofsplatz im Jahr 2020 festgehalten.
Nicht alle wollen friedlich gedenken
Nicht alle wollen friedlich gedenken
Im Zeitstrahl sind die Jahrestage mit besonderen Einsätzen umrissen.
Mehr zum 23. Februar 2013 sehen Sie auf den nächsten Folien: PZ-Reporter Olaf Lorch-Gerstenmaier, der seit über zehn Jahren auf dem Wartberg mittendrin ist, erinnert sich an den Einsatz.
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Ruhiges Gedenken trifft auf Einsatz von Schlagstöcken
Allerdings fanden an diesem 75. Jahrestag – wie in den Jahren zuvor – Demonstrationen und Proteste statt, die wegen des Einsatzes von Feuerwerkskörpern und Provokationen gegen die Polizeikräfte bei der Fackel-„Mahnwache“ für Schlagzeilen sorgten.
Alle Infos zu diesem Tag gibt es hier: Demo am Wartberg: Polizei gesteht Einsatz von Schlagstöcken
Aus Trümmerschutt entstandenDer Wallberg in Pforzheim
Die Erinnerungsstelen, die die Spitze des Wallbergs schmücken, „mahnen zum Frieden und zur Ablehnung des Krieges zur Durchsetzung politischer Ziele", beschreibt es die Stadt. „Sie erinnern auch an die Aufbauleistung nach der totalen Zerstörung der Stadt als Beispiel zur Überwindung der damaligen Krise", heißt es weiter.
Impressum
Text: Julia Falk, Julia Wessinger, Thomas Frei, mit Material aus dem PZ-Archiv
Fotos: Georg Moritz, Thomas Meyer, Stadtarchiv Pforzheim, Gerhard Ketterl, Nina Tschan, Julia Wessinger
Videos: Dominik Türschmann, Olaf Lorch-Gerstenmaier und Julia Wessinger
Videoschnitt: Dominik Türschmann
Hier finden Sie ergänzende Links zum Thema:
Themenseite auf PZ-news zum 23. Februar
Alle Artikel, Videos und Bildergalerien rund um die Berichterstattung zum 23. Februar finden Sie in unserem Dossier.
Video-Interview mit Zeitzeugin Therese Ratzenberger zum 23. Februar 1945
Vier Menschen, vier Geschichten, vier Videos – hier: die Erinnerungen von Therese Ratzenberger.
Video-Interview mit Zeitzeugin Brigitte Obier zum 23. Februar 1945
Vier Menschen, vier Geschichten, vier Videos – hier: die Erinnerungen von Brigitte Obier.
Video-Interview mit Zeitzeuge Dieter Bolz zum 23. Februar 1945
Vier Menschen, vier Geschichten, vier Videos – hier: die Erinnerungen von Dieter Bolz.
Video-Interview mit Zeitzeugin Erika Abrecht zum 23. Februar 1945
Vier Menschen, vier Geschichten, vier Videos – hier: die Erinnerungen von Erika Abrecht.
So kam der Bombentod über Pforzheim
Historischer Ticker vom 22. bis 23. Februar zeigt, wie der Tod über Pforzheim kam, und welche Ereignisse zum tödlichen Feuersturm führten.
Bedrohung und Fliegeralarm als Dauerzustand:
Wie die Pforzheimer eine Woche vor dem verheerenden Bombenangriff um ihr altes Stadtbild bangten